Viersen? Wo ist das denn? Die Stadt in Nordrhein-Westfalen hat es mit seiner Lage zwischen den Niederlanden und dem nahe liegenden Düsseldorf nicht leicht, Gäste anzulocken. Ich selber bin öfter in Viersen, weil dort Verwandte von mir wohnen. Bei einem meiner Besuche bin ich auf eine städtische Attraktion gestoßen – ein Jugendstilbad!
Beschriftungen in Art-Nouveau-Schrift, seltene, unkomplizierte Umkleidekabinen rund um das Becken, lachsfarbene Vorhänge, mit grau-grünen Kacheln geflieste Pfeiler und Fenster mit dem bleiverglasten Dekor der Jahrhundertwende, durch die sich das Sonnenlicht bricht. In dieser Jugendstil-Kulisse im Wasser eines blau schimmernden Becken zu schwimmen, ist für mich Wellness pur!
Als der Architekt Willy Esser 1905/1906 im Auftrag der Stadt Viersen das öffentliche Stadtbad mit Schwimm-, Brause, Wannen- und Heilbädern erbaute, ging es allerdings nicht um Wellness. „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad!“, so lautete das Motto der Volksbäder-Bewegung um 1900. Die ärmere Bevölkerung musste damals mit gemeinschaftlich genutzten Klos und Wasserzapfstellen auf dem Hof auskommen. Stadtplaner und vor allem Mediziner setzten sich dafür ein, dass Sauberkeit und körperliche Hygiene dem ganzen Volk gut täten und nicht nur den Wohlhabenden.
Von den vielen Volksbädern sind nur wenige erhalten geblieben. Baden wie in der Kaiserzeit – das kann man in Deutschland nur noch in rund dreißig Schwimmhallen, die vor 1918 gebaut wurden. Wie durch ein Wunder überstand das Bad in Viersen den zweiten Weltkrieg und vor allem die „Stadtentwicklung“ in den 60er/70er-Jahren – eine abgehängte Decke und mit Glasbausteinen zugebaute Fenster waren eher überschaubare Bausünden in einer Zeit, die von Abrissbirne und Beton geprägt war. Nach jahrelangem politischen Ringen war es Anfang der 90-er Jahre eine mutige Entscheidung der Stadtväter, die alte Badeanstalt zu erhalten. 1995 wurde das Schwimmbad im neuen alten Gewand wieder für Badegäste freigegeben. Der Rück- und Umbau, aber auch Modernisierung umfassten unter anderem ein Blockheizkraftwerk und einen neu geschaffenen Saunabereich im Souterrain, wo sich früher Brausen und Wannenbäder befanden. Die behutsame Restaurierung wurde 1997 mit dem ‚Rheinischen Denkmalpreis‘ ausgezeichnet.
Schöne Bilder und Informationen zur Restaurierung findet ihr auf der Webseite des ausführenden Architekturbüros Breidenbach.







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